Apérozeit heisst es kurz vor elf Uhr im Zug Richtung Basel. Wir, neun Erwachsene
und ein Kleinkind, sind unterwegs nach Seewen, um an einer Führung im Musikautomaten-Museum teilzunehmen. Es ist bereits unser zweiter Anlass in diesem Jahr. Vor dem Museum kommen weitere vier Personen dazu. Vorgängig geniessen wir ein Mittagessen im Restaurant und gestärkt beginnen wir die Führung.
Im Foyer begrüsst uns Frau Fritschi und umgehend hören wir im Ausstellungsraum Klavierklänge, die von einer Orgel her tönen. Es ist ein Stück von Ignacy Jan Paderewski, einem polnischen Komponisten. Diverse Musikstücke wurden früher auf perforiertem Kartonband, auf Holz- oder Metallzylinder mit Stiften festgehalten, welche die Melodie wiedergeben. So kann eine Orgel oder ein Klavier auch manuell spielen – sozusagen eine frühe Digitalisierung.
Uns wird erklärt, beim grössten Modell im Raum ist man sich sicher, dass es sich um die als lange Zeit vermisste Orgel der Britannic handelt. Die Britannic ist das Schwesternschiff der Titanic. Das Schiff war aber nicht wie die Titanic als Passagierschiff unterwegs, sondern wurde im ersten Weltkrieg beschlagnahmt und zu einem Lazarettschiff umgerüstet, zeitgleich wurde die Orgel wieder ausgebaut, die bei der Wendeltreppe stand und sich über zwei Etagen erstreckte. Einige Jahre später wurde die Britannic durch eine Seemine versenkt. Wir können auch die Rückseite der Orgel begutachten und sehen in das Innere. Sie besitzt über 1900 Orgelpfeifen in verschiedenen Grössen und spielt uns eine Melodie vor. Die Orgel wurde wohl um das Jahr 1913 gebaut. Es handelt sich um eine Welte-Philharmonie, eine pneumatische Orgel, die von einem Organisten, aber auch mit einer Papierrolle, gespielt werden kann.
Ein wahres Schmuckstück steht ebenfalls hier im Raum. Es nennt sich Orchestrion Phonoliszt Violin und ist aus Leipzig um das Jahr 1925. Öffnet man das Schränkchen oben, erscheinen drei Geigen und lassen zusammen mit Klavier eine liebliche Melodie ertönen. Um 1920 galt dieses Musikinstrument als eine wahre Sensation und wurde sogar als das achte Weltwunder bezeichnet.
Die Bahnhofsautomaten, eher grosse Schränke mit Papier- oder Metallrollen, standen oft in Bahnhofshallen. Nach Einwurf einer Münze, spielt der Automat eine Melodie vor und verkürzte so die Wartezeit.
Besonders angetan sind wir von den Figurenautomaten mit ihren Bewegungskünsten. Bei der einen kann der Künstler zur Musik auf einem Stuhl jonglieren, bei der anderen zwinkert und nickt er einem schelmisch zu und bei der nächsten führen sie ein Tänzchen vor. Solche Automaten wurden mehrheitlich im 18. und 19. Jahrhundert gefertigt und dienten zur Unterhaltung. Interessant ist, dass etliche dieser Automaten aus Ste-Croix stammen, nicht etwa Orgelbauer haben sie angefertigt, sondern Uhrenmacher.
Im Salon Bleu dürfen wir auf den schmucken Sesseln und Sofas Platz nehmen und kommen uns vor wie anno dazumal. Hier wird uns vor Augen geführt, welchen Stellenwert die Musik im 19. Jahrhundert in gut begüterten Familien hatte. Eine Musikdose, ein Plattenschrank oder ein über Pedale betriebenes Piano durften nicht fehlen. Oftmals hat man Gäste eingeladen, um zu zeigen, was man hatte. So wird auch uns das eine oder andere Musikinstrument vorgeführt und wir lauschen der Musik.
Im Tanzsaal dreht sich zurzeit alles um die Drehorgel. Drehorgeln wurden im 18. Jahrhundert von Strassenmusikern und Gauklern zum Broterwerb gespielt. Heute sind sie im Besitz von Liebhabern und Sammlern. Sie unterscheiden sich sehr in Grösse, Form und Ton und die Kästen sind zum Teil kunstvoll bemalt.
Mit den Klängen im Ohr treffen wir uns im Restaurant, um den Durst zu löschen und schon bald ist es Zeit, sich auf den Heimweg zu machen. Es war eine interessante Führung und ein gelungener Anlass.
Text: Karine
Fotos: Karine und Yannic